In den letzten Jahrzehnten wurden zahlreiche Studien zur gegenseitigen und bilateralen medialen Kommunikation und politischen Diskursen im Nachbarland durchgeführt. Es fehlte jedoch nach wie vor eine Analyse des Kommunikationsprozesses und der Entstehung nationaler Diskurse, die sich als Ergebnis der (Inter-)Aktion vieler Akteure mit unterschiedlichen Instrumenten und Kommunikationsstilen beeinflussen. Daher fragte das realisierte Projekt, wie Polen und Deutsche über den jeweils anderen kommunizieren und wie sie in verschiedenen Bereichen miteinander kommunizieren, wie dies die gegenseitige Wahrnehmung und wie die Wahrnehmung ihrerseits die Kommunikation beeinflusst.
Das Projekt konzentrierte sich auf die Analyse mehrerer ausgewählter Themenbereiche, die in den letzten Jahren für die deutsch-polnische Kommunikation von entscheidender Bedeutung sind: europäische Integration, Wirtschaft und historische Themen. Gleichzeitig wurden ausgewählte Perioden aus den letzten 30 Jahren der deutsch-polnischen Zusammenarbeit erforscht, die sich auf Jahre mit wichtigen Ereignissen für Beziehungen und deren verschiedenen Phasen beziehen.
Um die beschriebenen Phänomene zu untersuchen, verwendete das Forschungsteam: vertiefte Experteninterviews, eine repräsentative Umfrage unter Deutschen du Polen sowie unter der Generation der jungen Erwachsenen (in der Serie „Deutsch-Polnisches Barometer“), eine Analyse der Inhalte traditioneller und sozialer Medien, eine Analyse der Reden ansässig des 1. Septembers sowie eine Analyse der öffentlichen und kulturellen Diplomatie beider Länder.
Bei der Durchführung des Projekts wurden die folgenden Forschungsmethoden eingesetzt:
Die im Rahmen des Projekts durchgeführten Forschungsarbeiten ergänzten sich gegenseitig. Die Veröffentlichung „Das dynamische (Un-)Gleichgewicht. Wie die Deutschen und Polen miteinander und übereinander kommunizieren“ war der Versuch einer Synthese bisheriger Analysen und Überlegungen zur deutsch-polnischen Kommunikation. Anstelle des Begriffs „Asymmetrie“ führte sie den Begriff „dynamisches (Un-)Gleichgewicht“ ein. Sie lenkte die Aufmerksamkeit auf Faktoren, die eine effektive deutsch-polnische Kommunikation behindern, wie Stereotypen und Emotionen. Schließlich lautet die These, dass Deutsche und Polen lernen müssen, mit der Erfahrung des (Un-)Gleichgewichts in ihren Beziehungen zu leben.
Die Umfrage in der Reihe „Polen-Deutschland-Barometer“ bestätigte, dass Menschen, die das Nachbarland besucht haben, in der Regel eine bessere Meinung von ihm haben als diejenigen, die noch nicht dort waren. Die Umfrage ergab, dass es deutliche Meinungsunterschiede zwischen den Anhängern der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit, die Polen von 2015 bis 2023 regierte, und den Zuschauern des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Polen auf der einen und den Wählern der damaligen Opposition und den Zuschauern der Privatsender auf der anderen Seite gibt. Letztere haben ein positiveres Bild von Deutschland. Die gleiche Polarisierung gilt für die Printmedien. In Deutschland spielen die Parteipräferenz und der Medienkonsum hier keine Rolle.
Die Framing-Analyse, die eine Methode der Presserecherche war, führte zu dem Ergebnis, dass die Metapher des Zweiten Weltkriegs, die eine klare Rollenverteilung in Opfer (Polen) und Täter (Deutschland) impliziert, wobei die polnische Souveränität auf dem Spiel steht, in der deutsch-polnischen Kommunikation sehr häufig vorkommt. Eine zweite häufige Metapher ist die der Schule, die ebenfalls eine Rollenteilung zwischen dem Schüler (Polen) und dem Lehrer (Deutschland) impliziert, d. h. eine ungleiche, asymmetrische Beziehung, in der von der einen Seite erwartet wird, dass sie zuhört, Anweisungen befolgt und diszipliniert ist, während die andere Seite das Vorbild ist und ganz allgemein besser Bescheid weiß.
Die Untersuchungen zum Gedenken an den 1. September wiederum zeigten unter anderem, wie unterschiedlich die Losung „Nie wieder Krieg!“ in Polen und Deutschland aufgefasst wird. Während in Deutschland darunter verstanden wird, dass die Deutschen nie wieder diejenigen sein werden, von denen das Böse ausgeht, verstehen die Polen darunter, dass sie sich nie wieder in die Opferrolle begeben sollten.
Die Abschlusspublikation fasst alle Ergebnisse zusammen und konzentriert sich auf die Betrachtung, wie allgegenwärtig die Kriegsrhetorik auf verschiedenen Ebenen der deutsch-polnischen Kommunikation ist.
Neben dem rein wissenschaftlichen Erkenntnisinteresse war es Ziel des Projekts, die Ergebnisse politischen Entscheidungsträgern und Multiplikatoren zu vermitteln. Dies geschah durch öffentliche Veranstaltungen, Publikationen sowie Berichte in Print- und Onlinemedien, wie auch im Rundfunk, aber auch durch zahlreiche informelle Gespräche. Inwiefern die im Rahmen des Projekts gewonnenen Erkenntnisse in der Arbeit der Entscheidungsträger und Multiplikatoren tatsächlich zum Tragen kommen und diese inhaltlich beeinflussen ist naturgemäß schwer messbar. Zu vielfältig und unterschiedlich sind die Faktoren, die (politischen) Entscheidungsfindungsprozessen zugrunde liegen. Gleichwohl lässt sich in den vergangenen Wochen und Monaten, gerade in Deutschland, eine Veränderung des Diskurses über Polen beobachten, der von einem erhöhten Maß an Selbstreflexivität und Sensibilität gegenüber dem Nachbarn und Partner geprägt ist. Vor allem die im Rahmen des Projekts identifizierte Lehrer-Schüler-Metapher wurde in der jüngsten Vergangenheit auffallend häufig von verschiedenen Akteuren der deutsch-polnischen Kommunikation aufgegriffen, was zumindest anteilig auf das Forschungsprojekt zurückzuführen sein dürfte.
Medienveröffentlichungen über die Forschungsergebnisse waren ein wichtiges Instrument, um die Projektergebnisse zu verbreiten. Interviews und Erwähnungen der Projektergebnisse erschienen in: DPA, Die Welt, Polityka, Gazeta Wyborcza, MDR, Polskie Radio, TOK.FM, RdC, Cosmo, Deutsche Welle, Wochenblatt, Euractiv.pl.
Zentrale Voraussetzung für die gelungene Zusammenarbeit im Rahmen des Projekts war die Zweisprachigkeit der Projektbeteiligten, die in jeder Phase des Projekts ein Miteinander auf gleicher Augenhöhe ermöglichte. Die regelmäßigen Teambesprechungen (i.d.R. mindestens einmal pro Woche) festigten den Zusammenhalt des Teams und verbanden professionelle Kooperation mit kollegialem und freundschaftlichem Austausch. Auf diese Weise entwickelte sich schnell ein Team Spirit, der die Beteiligten durch sämtliche Phasen des Projekts trug. Etwaige deutsche bzw. polnische Eigenheiten in Bezug auf wissenschaftliche Forschung spielten im Prinzip keine Rolle. Vielmehr war die Zusammenarbeit zu jeder Zeit vom Willen und Bemühen geprägt, sich gegenseitig zu unterstützen und zu ergänzen.
* Die Texte und Fotos wurden vom Projektteam zur Verfügung gestellt.
1) Waldemar Czachur, Peter Oliver Loew, Agnieszka Łada: Das Dynamische (Un-)Gleichgewicht. Wie die Deutschen und Polen miteinander und übereinander kommunizieren, Darmstadt/Warschau: DPI/ISP, 2020.
Waldemar Czachur, Peter Oliver Loew, Agnieszka Łada: Dynamiki (nie)równowagi. Jak Polacy i Niemcy komunikują się ze sobą i komunikują o sobie, Darmstadt/Warschau: DPI/ ISP, 2020.
2) Jacek Kucharczyk, Agnieszka Łada: Nachbarschaft mit Geschichte: Blicke über Grenzen, Deutsch-Polnisches Barometer 2020, Warschau/Darmstadt: Institut für Öffentliche Angelegenheiten, Konrad-Adenauer-Stiftung, Deutsches Polen-Institut, 2020.
Jacek Kucharczyk, Agnieszka Łada: Sąsiedztwo z historią w tle: spojrzenia przez granice, Barometr Polska-Niemcy 2020, Warschau/Darmstadt: Institut für Öffentliche Angelegenheiten, Konrad-Adenauer-Stiftung, Deutsches Polen-Institut, 2020.
3) Agnieszka Łada, Bastian Sendhardt: Das Bild der Krise. Wie schrieben die deutsche und die polnische Presse über das jeweilige Nachbarland im ersten Halbjahr 2020? Darmstadt/Warschau: DPI/ISP, 2021.
Agnieszka Łada, Bastian Sendhardt: Obraz kryzysu. Jak prasa polska i niemiecka pisała o kraju sąsiada w pierwszym półroczu 2020 roku? Darmstadt/Warschau: DPI/ISP, 2021.
4) Beata Ociepka: Polens Public Diplomacy, Deutschlands Auswärtige Kulturpolitik und die gemeinsamen Beziehungen, Darmstadt/Warschau: DPI/ISP, 2022.
Beata Ociepka (2022): Dyplomacja Publiczna Polski i zagraniczna polityka kulturalna Niemiec w stosunkach wzajemnych, Darmstadt/Warschau: DPI/ISP, 2022.
5) Agnieszka Łada-Konefał: Junge Erwachsene aus Deutschland und Polen über Wissensquellen und das Bild des Nachbarlandes. Deutsch-Polnisches Barometer 2022 Sonderausgabe: Jugend, Darmstadt/Warschau: DPI/ISP, 2022.
Agnieszka Łada-Konefał: Młodzi dorośli z Polski i z Niemiec o źródłach wiedzy i obrazie kraju sąsiada. Barometr Polska – Niemcy 2022 Edycja: młodzi, Darmstadt/Warschau: DPI/ISP, 2022.
6) Waldemar Czachur, Peter Oliver Loew: »Nie wieder Krieg!«. Der 1. September in der Erinnerungskultur Polens und Deutschlands zwischen 1945 und 1989, Wiesbaden: Harrasowitz Verlag, 2022.
Waldemar Czachur, Peter Oliver Loew: »Nigdy więcej wojny!«. 1 września w kulturze pamięci Polski i Niemiec w latach 1945-1989. Warschau: Wydawnictwo Scholar, 2022.
7) Justyna Arendarska, Agnieszka Łada-Konefał, Bastian Sendhardt: Nachbarschaft im Rahmen. Wie Deutsche und Polen einander medial betrachten, Wiesbaden: Harrasowitz Verlag, 2022.
Justyna Arendarska, Agnieszka Łada-Konefał, Bastian Sendhardt: Sąsiedztwo w ramach. Polacy i Niemcy o sobie nawzajem w przekazie prasowym, Warschau: ISP, 2022.
8) Agnieszka Łada-Konefał, Bastian Sendhardt: Deutsche und Polen übereinander auf Facebook, Darmstadt/Warschau: DPI/ISP, 2022.
Agnieszka Łada-Konefał, Bastian Sendhardt: Polacy i Niemcy o sobie nawzajem na Facebooku, Darmstadt/Warschau: DPI/ISP, 2022.
9) Waldemar Czachur, Peter Oliver Loew, Agnieszka Łada-Konefał, Beata Ociepka, Bastian Sendhardt: Kriegerische Nachbarschat. Wie der Krieg den deutsch-polnischen Dialog prägt, Darmstadt/Warschau: DPI/ISP, 2022.
Waldemar Czachur, Peter Oliver Loew, Agnieszka Łada-Konefał, Beata Ociepka, Bastian Sendhardt: Wojujące sąsiedztwo. Jak wojna kształtuje dialog polsko-niemiecki, Darmstadt/Warschau: DPI/ISP, 2022.
Instytut Spraw Publicznych, Warszawa (ISP)
Deutsches-Polen Institut, Darmstadt (DPI)
Freie Universität Berlin (FU)
06.2019-11.2022
300.000 Euro
Dr. Agnieszka Łada-Konefał
Direktorin des Europaprogramms am ISP (bis 2019), stv. Direktorin des DPI (seit 2020)
Prof. Dr. Peter Oliver Loew
Direktor des DPI
Dr. Justyna Arendarska
Uniwersytet Wrocławski
Prof. Dr. Waldemar Czachur
Uniwersytet Warszawski
Dr. Indira Dupuis
Freie Universität Berlin
Małgorzata Kopka-Piątek
Direktorin des Europaprogramms am ISP (2020–2022)
Prof. Dr. Beata Ociepka
Uniwersytet Wrocławski
Paulina Piwowarczyk
Analystin und Koordinatorin der Projekte des Europaprogramms am ISP (2019–2020)
Bastian Sendhardt
wissenschaftlicher Mitarbeiter am DPI/Büro Berlin
Zwischen Nähe und Fremdheit: Paradoxien des deutsch-polnischen Dialogs, Online-Expertengespräch, 12.11.2020
Obraz kryzysu / Das Bild der Krise, Online-Debatte, 28.4.2021
Junge Deutsche und Polen für das Nachbarland begeistern – aber wie? / Zachęcić młodych Polaków i Niemców do zainteresowania się sąsiednim krajem – ale jak?, Deutsch-polnisches Online-Expertenseminar, 2.06.2022
Nie wieder Krieg, Buchvorstellung, 31.8.2022, Polnisches Institut, Leipzig
Nigdy więcej wojny! (Nie wieder Krieg), Buchvorstellung, 6.9.2022, Dom Spotkań z Historią, Warszawa
Sąsiedztwo w ramach. Polacy i Niemcy o sobie nawzajem w przekazie medialnym (Nachbarschaft im Rahmen. Wie Deutsche und Polen einander medial betrachten), Buchvorstellung, 19.9.2022, Goethe-Institut, Warszawa
Nie wieder Krieg, Buchvorstellung, 21.9.2022, Deutsches Polen-Institut Darmstadt
Nachbarschaft im Rahmen, Podiumsdiskussion, 21.9.2022, Landeszentrale für politische Bildung, Berlin
Sąsiedztwo w ramach (Nachbarschaft im Rahmen), Präsentation für polnische Wissenschaftler, online, 4.11.2022
Wojujące sąsiedztwo (Kriegerische Nachbarschaft), Präsentation der Projektergebnisse, 12.12.2022 Berlin